Wichtige Informationen zur Fernbehandlung
in Mecklenburg-Vorpommern
In der Kammerversammlung am 30. November 2019 wird entschieden, ob die Berufsordnung der Ärztekammer gemäß der Empfehlung der Bundesärztekammer angepasst und damit eine ausschließliche Fernbehandlung in unserem Bundesland möglich wird. Bislang ist eine Behandlung ohne Patientenkontakt nur in Ausnahmefällen erlaubt. Dazu heißt es in der aktuellen Berufsordnung §7 (4):
"Der Arzt darf individuelle ärztliche Behandlung, insbesondere auch Beratung, nicht ausschließlich über Print- und Kommunikationsmedien durchführen. Dies gilt nicht für telemedizinische Verfahren, sofern gewährleistet ist, dass ein Arzt den Patienten unmittelbar behandelt."
Die Bundesärztekammer hat eine FAQ-Liste zum Thema Fernbehandlung zur Verfügung gestellt, die bei der Entscheidung helfen soll, ob und inwiefern Sie Patienten über Telekommunikationsmittel behandeln wollen:
Ist es auch aus arbeitsrechtlicher Sicht unbedenklich, einen Nebenjob bei einem Anbieter von Fernbehandlung anzunehmen?
Bevor angestellte Ärztinnen oder Ärzte einen Nebenjob annehmen, müssen sie mit ihrem Arbeitgeber abklären, ob sie dafür eine Nebentätigkeitsgenehmigung benötigen. Das wird in der Regel erforderlich sein.
Was ist im Arbeitsverhältnis mit Blick auf die Arbeitszeiten zu beachten?
Wird die angestellte Ärztin oder der angestellte Arzt für einen externen Anbieter tätig, kann die dort geleistete Arbeitszeit z. B. bei den gesetzlich vorgegebenen Höchstarbeitszeiten zu berücksichtigen sein. Denn nach § 2 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 des Arbeitszeitgesetzes sind Arbeitszeiten bei mehreren Arbeitgebern zusammenzurechnen. Ob jemand für den Anbieter als sog. freier Mitarbeiter oder auf Basis eines Arbeitsvertrages tätig wird, hängt von der Ausgestaltung im Einzelfall ab. Dazu bestimmt § 611a Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) neuerdings:
„Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und
seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein
Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.“
Für ein Arbeitsverhältnis mit der Folge der Anrechnung auf die tägliche bzw. Wochenarbeitszeit kann z. B. sprechen, dass der Anbieter einen Gesprächsleitfaden vorgibt, wie die Anamneseerhebung erfolgt und bei welchen Antworten welche Maßnahmen einzuleiten sind.
Ferner kann für ein Arbeitsverhältnis sprechen, wenn der Verpflichtete eine zweck- und zeitbestimmte Arbeitsleistung mit im Voraus nicht abgrenzbaren Einzelleistungen zugesagt hat, weil dann eine zeitliche Weisungsbindung angenommen werden kann. Das wäre wohl anzunehmen, wenn die Verpflichtung übernommen wird, in einem fest
vereinbarten Zeitkorridor Sprechstunden abzuhalten.
Was ist unter Kolleginnen und Kollegen in der Gemeinschaftspraxis zu beachten?
Für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte lohnt ein Blick in den Gemeinschaftspraxisvertrag. Manche Verträge enthalten Wettbewerbsverbote; häufig wird die Aufnahme einer Nebentätigkeit von der Zustimmung der Praxispartner abhängig gemacht.
Soweit nicht darüber hinaus besondere rechtliche Regelungen einschlägig sind, gelten die allgemeinen berufsrechtlichen Anforderungen. Insbesondere die Vorgaben des § 7 Abs. 4 (Muster-)Berufsordnung-Ärzte (MBO-Ä) und des § 25 Satz 1 MBO-Ä sind zu beachten.
Bei der Ausstellung ärztlicher Gutachten und Zeugnisse haben Ärztinnen und Ärzte mit der notwendigen Sorgfalt zu verfahren und nach bestem Wissen ihre ärztliche Überzeugung auszusprechen (§ 25 Satz 1 MBO-Ä). Mit der Gleichstellung von Zeugnissen und Gutachten unterscheidet § 25 Satz 1 MBO-Ä nicht danach, ob sich der Arzt auf die Bescheinigung medizinischer Sachverhalte bzw. Tatsachen beschränkt oder darüber hinaus gehend auf deren Grundlage mit Hilfe seiner Sachkunde wissenschaftliche Schlussfolgerungen zieht (Spickhoff/Scholz, 3. Aufl. 2018, MBO-Ä 1997 § 25 Rn. 4).
Soweit die Vorgaben der §§ 7 Abs. 4 MBO-Ä, 25 Satz 1 MBO-Ä beachtet werden, können Atteste aus berufsrechtlicher Perspektive auch im Rahmen (ausschließlicher) Fernbehandlung ausgestellt werden. Die ausstellende Ärztin bzw. der ausstellende Arzt muss im Einzelfall auf Grundlage der (ausschließlich) über Kommunikationsmedien übermittelten Informationen zur Überzeugung gelangen, dass die Ausstellung der ärztlichen Bescheinigung vertretbar ist und die im Attest enthaltenen Feststellungen zutreffen. Vor Ausstellung des Attestes muss geprüft werden, ob neben dem Berufsrecht geltende Bestimmungen der Ausstellung des Attestes im Rahmen der Fernbehandlung entgegenstehen. Zur Ausstellung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wird auf die Hinweise und Erläuterungen zu § 7 Abs. 4 MBO-Ä verwiesen.
Was ist bei der Aufklärung der Patientin oder des Patienten im Rahmen ausschließlicher Fernbehandlung zu beachten?
Zur Behandlung bedürfen Ärztinnen und Ärzte immer der Einwilligung der Patientin oder des Patienten. Der Einwilligung hat grundsätzlich die erforderliche Aufklärung im persönlichen Gespräch vorauszugehen (§ 8 (Muster-)Berufsordnung (MBO-Ä)).
§ 7 Absatz 4 Satz 3 MBO-Ä vermittelt durch den Nebensatz „... und die Patientin oder der Patient auch über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt wird“ verbindlich eine besondere Sorgfaltspflicht bei der Aufklärung vor der Durchführung einer Fernbehandlung. Nähere Informationen dazu sind in den Hinweisen und Erläuterungen zu § 7 Abs. 4 MBO-Ä zu finden.
Die berufsrechtliche Aufklärungspflicht besteht auch bei Fernbehandlungen grundsätzlich wie bei jeder anderen ärztlichen Beratung bzw. Behandlung. In der Natur der Sache liegt jedoch auch, dass die ärztliche Aufklärung anders organisiert werden muss als beim herkömmlichen Aufklärungsgespräch.
Wichtige Grundregeln der zivilrechtlich ordnungsgemäßen Aufklärung sind auch in § 630e Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelt. Doch auch dabei muss der Art und Weise der Fernbehandlung/-beratung Rechnung getragen werden. Die Aufklärung muss mündlich durch die Behandelnde bzw. den Behandelnden oder durch eine Person erfolgen, die über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung verfügt. Ergänzend kann auch auf Unterlagen Bezug genommen werden, die die Patientin oder der Patient in Textform erhält. Diese, die mündliche Aufklärung flankierende Aufklärung, ist nicht nur durch herkömmliche Papierdokumente, sondern auch in Form elektronisch erstellter Dokumente möglich, wie etwa durch E-Mails. Eine Aufklärung allein durch E-Mails usw. genügt indes nicht.
In einfach gelagerten Fällen kann die Ärztin oder der Arzt die Patientin oder den Patienten auch in einem telefonischen Gespräch über die Risiken eines bevorstehenden Eingriffs aufklären, wenn die Patientin oder der Patient damit einverstanden ist (BGH, NJW 2010, 2430). Diese Rechtsprechung kann vorliegend für telemedizinische Lösungen, die einen persönlichen Kontakt vorsehen (Videotelefonie u. ä.) auch übertragen werden.
Aus Gründen der ärztlichen Sorgfalt aber auch auf Grund der Vorgabe, nur im Einzelfall ausschließliche Fernbehandlung durchzuführen, sollten Patientinnen und Patienten immer die Möglichkeit haben, ein (fern-)mündliches Gespräch mit den beratenden bzw. behandelnden Ärztinnen und Ärzten zu führen. Eine nicht persönliche Aufklärung ausschließlich anhand von Algorithmen wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Soweit Patientinnen und Patienten nach § 630e Abs. 2 Satz 2 BGB Abschriften von Unterlagen, die sie im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung unterzeichnet haben, ausgehändigt werden, sollten sämtliche Informationen und Patientenerklärungen speicher- und ausdruckbar zur Verfügung stehen. Ein ausdrücklicher Verzicht der Patientin oder des Patienten auf die Aufklärung macht diese entbehrlich. Ein solcher Verzicht ist in die Berufsordnung nicht aufgenommen worden. Um den Grundsätzen sorgfältiger und gewissenhafter ärztlicher Tätigkeit im Einzelfall gerecht zu werden, wird ein Unterlassen der Aufklärung aufgrund eines ausdrücklichen Verzichtes durch die Patientin oder den Patienten bei ausschließlicher Fernbehandlung/-Beratung nicht empfohlen.
Im Interesse der Ärztin oder des Arztes an einer ordnungsgemäßen Dokumentation sollte auch nicht eine Verzichtsmöglichkeit der Patientinnen und Patienten auf die Aushändigung von Unterlagen zur Aufklärung und Einwilligung vorgesehen werden.
Adressat der Aufklärung ist grundsätzlich die Patientin oder der Patient selbst. Im Falle der Einwilligungsunfähigkeit der Patientin oder des Patienten sind Betreuer, Bevollmächtigte oder Sorgeberechtigte und einwilligungsunfähige Patientinnen und Patienten entsprechend ihrem Verständnis mit aufzuklären. Sie sind daher in das telemedizinische Behandlungsgeschehen zwingend einzubeziehen.
Erfordert die Durchführung (ausschließlicher) Fernbehandlung eine Anpassung der Haftpflichtversicherung?
Ärztinnen und Ärzte sind nach den meisten Heilberufe- und Kammergesetzen, jedenfalls aber nach der Berufsordnung ihrer Landesärztekammer, verpflichtet, sich hinreichend gegen Haftpflichtansprüche im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit zu versichern. Auf dem Versicherungsmarkt angebotene Policen unterscheiden zwischen ambulanter und stationärer Tätigkeit. Es ist daher nicht sichergestellt, dass eine Fernbehandlung, insbesondere eine ausschließliche Fernbehandlung, Versicherungsschutz genießt.
Bevor eine solche Tätigkeit aufgenommen oder eine ausgeübte ärztliche Tätigkeit um Elemente einer Fernbehandlung erweitert wird, ist die Rücksprache bei der Haftpflichtversicherung unabdingbar. Werden Ärztinnen oder Ärzte für einen Anbieter telemedizinischer Leistungen als sog. Erfüllungsgehilfen tätig, kann der Anbieter, wie es zurzeit die meisten Krankenhäuser praktizieren, eine Betriebshaftpflichtversicherung
abschließen. Einige Heilberufe- und Kammergesetze erklären einen solchen Versicherungsschutz für ausreichend. Gleichwohl sollte geklärt werden, ob eine solche Versicherung auch die persönliche Haftung des Arztes einschließt, der Fernbehandlungen durchführt. Einige Policen decken auch den Bereich der groben Fahrlässigkeit nicht mit ab; dieser muss dann selbst versichert werden.
Wer ist für die Datenverarbeitung im Rahmen der Fernbehandlung verantwortlich?
Verantwortlich im datenschutzrechtlichen Sinne ist, wer über Zwecke und die Mittel der Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Patientinnen und Patienten entscheidet.
Setzt die Ärztin oder der Arzt eine Technologie (z. B. Videotelefonie) ein, um Patientinnen und Patienten telemedizinisch zu behandeln und verwaltet sie bzw. er dabei Patientendaten in einer Dokumentation, ist sie bzw. er Verantwortlicher im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO). Nutzt die Ärztin oder der Arzt für die Fernbehandlung hingegen ein Web-Portal, entscheiden unter Umständen sowohl der Plattformbetreiber als auch die Ärztin oder der Arzt über die Zwecke und die Mittel der Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Patientinnen und Patienten. Sie verarbeiten dann gemeinsam die Patientendaten. Die Datenschutz-Grundverordnung sieht hierfür das Modell der „gemeinsam für die Verarbeitung Verantwortlichen“ nach Artikel 26 DS-GVO vor. Jeder der Beteiligten benötigt für die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung eine eigene datenschutzrechtliche Befugnisgrundlage.
Die Ärztin oder der Arzt und der Plattformbetreiber legen als gemeinsam Verantwortliche in einer transparenten Vereinbarung fest, wer von ihnen welche datenschutzrechtlichen Verpflichtungen gemäß der DS-GVO zu erfüllen hat. Gegenstand dieser Vereinbarung sollten vor allem die Wahrnehmung der Rechte der betroffenen Personen, die Zuständigkeit für die Informationspflichten nach Artikel 13 und 14 DS-GVO und die weiteren datenschutzrechtlichen Verpflichtungen sein. In der Vereinbarung kann auch eine Anlaufstelle für die Patientinnen und Patienten angegeben werden, bei der diese Nachfragen zum Datenschutz und der Verantwortlichkeit stellen können.
Diese Vereinbarung ist auch unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten wichtig, da sie die Verantwortung für die gemeinsame Datenverarbeitung aufteilt. Nach Artikel 82 Abs. 3 DS-GVO ist von der datenschutzrechtlichen Haftung befreit, wer nachweisen kann, nicht für den Umstand, durch den der Schaden eingetreten ist, verantwortlich zu sein.
Auf welche datenschutzrechtliche Grundlage können sich Ärztinnen und Ärzte als Verantwortliche für den Datenschutz bei der Fernbehandlung berufen?
Erfolgt die Datenverarbeitung zum Zweck der Gesundheitsvorsorge, für die medizinische Diagnostik, die Versorgung oder Behandlung und/oder erfolgt die Verarbeitung zur Erfüllung eines Behandlungsvertrages, können sich niedergelassene Ärztinnen und Ärzte als Verantwortliche für den Datenschutz bei der Fernbehandlung auf § 22 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) (in Verbindung mit Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe h DS-GVO) berufen. Diese Rechtsgrundlage für die Verarbeitung ist in der Datenschutzerklärung nach Art. 13 und 14 DS-GVO anzugeben.
Welche wichtigen Pflichten treffen Ärztin oder Arzt als Verantwortliche/r für den Datenschutz im Rahmen der Fernbehandlung?
Zunächst ist die Datenverarbeitungstätigkeit zur Fernbehandlung im Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten aufzuführen. Außerdem treffen die Ärztin oder den Arzt als Verantwortliche/r für den Datenschutz umfassende Informationspflichten nach Artikel 13 und 14 DS-GVO. In vorhandenen Datenschutzerklärungen sind Zwecke, Rechtsgrundlagen, Empfänger und die weiteren Angaben zu der spezifischen Verarbeitungstätigkeit aufzunehmen. Die weiteren datenschutzrechtlichen Pflichten in der Arztpraxis sind ebenfalls zu erfüllen (siehe hierzu die „Hinweise und Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis“ der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung).
Ist eine Datenschutz-Folgenabschätzung durchzuführen und muss ein betrieblicher Datenschutzbeauftragter benannt werden?
In einigen Fällen, in denen Ärztinnen und Ärzte eine Fernbehandlung durchführen, ist die Durchführung einer Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA) in Betracht zu ziehen. Das gilt nicht schon für jede telefonische Fernbehandlung, aber für innovative Formen der Fernbehandlung, die ein hohes Risiko für das Persönlichkeitsrecht des Patienten bergen. Die Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (Datenschutzkonferenz)
haben hierfür sogenannte Positivlisten nach Art. 35 Abs. 4 DS-GVO veröffentlicht[1], in denen die Verfahren aufgelistet sind, bei denen eine besondere Gefahrenlage für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen gegeben sei und eine Datenschutz-Folgenabschätzung durchgeführt werden müsse. Auf diesen Listen finden sich auch telemedizinische Verfahren zur detaillierten Bearbeitung von Krankheitsdaten.
Die Datenschutzaufsichtsbehörden führen folgendes Beispiel an:
„Ein Arzt nutzt ein Webportal oder setzt eine App an, um mit Patienten mittels Videotelefonie zu kommunizieren und Gesundheitsdaten durch Sensoren beim Patienten (z.B. Blutzucker, Sauerstoffmaske,…) detailliert und systematisch zu erheben und zu verarbeiten.“ In diesem Fall müssen die eine Fernbehandlung anbietenden Ärztinnen oder Ärzte gemeinsam mit den Plattformbetreibern eine DSFA durchführen. Nutzt die Ärztin oder der Arzt für die Fernbehandlung ein Web-Portal, kann der Plattformbetreiber die Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA) im Rahmen der gemeinsamen Verarbeitung durchführen. Das ist in der Vereinbarung nach Artikel 26 DS-GVO zu vereinbaren.
Besteht die Verpflichtung, eine DSFA durchzuführen, sind niedergelassene Ärztinnen und Ärzte nach § 38 Abs. 1 S. 2 BDSG verpflichtet, eine/n Datenschutzbeauftragte/n für die Arztpraxis zu benennen.
Welche besonderen Anforderungen an die Datensicherheit sind zu beachten?
Es sind geeignete technisch-organisatorische Maßnahmen für den Datenschutz zu ergreifen. Zu beachten ist auch, dass sich Ärztinnen und Ärzte im Gegensatz zu Plattformbetreibern wegen Bruchs der ärztlichen Schweigepflicht strafbar machen können. Sie sollten daher ein besonderes Interesse daran haben, dass Patientendaten sicher verschlüsselt, übermittelt sowie verarbeitet, differenzierte Zugriffsbefugnisse festgelegt und weitere Sicherheitsmaßnahmen getroffenen werden.
Was ist bei der Dokumentation im Rahmen ausschließlicher Fernbehandlung zu beachten?
§ 7 Abs. 4 Satz 3 (Muster-)Berufsordnung-Ärzte (MBO-Ä) fordert, dass die erforderliche ärztliche Sorgfalt auch hinsichtlich der Dokumentation gewahrt wird. Das heißt nichts anderes als dass auch die Beratung und Behandlung im Rahmen der Fernbehandlung den rechtlichen Anforderungen entsprechend dokumentiert werden muss. Die „digitale“ unterscheidet sich nicht von der „analogen Welt“. Die bisher schon geltenden Vorschriften zur Dokumentation sind anzuwenden. Bereits nach § 10 der MBO-Ä haben Ärztinnen und Ärzte über die in Ausübung ihres Berufes gemachten Feststellungen und getroffenen Maßnahmen die erforderlichen Aufzeichnungen zu fertigen. Diese sind nicht nur Gedächtnisstützen für die Ärztin oder den Arzt, sie dienen auch dem Interesse der Patientin oder des Patienten an einer ordnungsgemäßen Dokumentation. Ärztliche Aufzeichnungen sind mindestens 10 Jahre aufzubewahren, Einsichts- und Kopierwünschen von Patientinnen und Patienten muss nachgekommen werden. Die Ärztin oder der Arzt muss daher sicherstellen, auf die Dokumentation zugreifen zu können.
Es empfiehlt sich zu dokumentieren, warum aus Sicht der Ärztin oder des Arztes oder die ausschließliche Fernbehandlung im konkreten Einzelfall ärztlich vertretbar war und dass über die Besonderheiten der ausschließlichen Fernbehandlung aufgeklärt worden ist. Es gelten derzeit auch keine zivilrechtlichen Besonderheiten bei der Fernbehandlung gegenüber sonstigen Untersuchungs- und Behandlungsverfahren. Es gelten die Grundsätze des § 630f Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Durch die Aufzeichnung des Behandlungsgeschehens wird eine sachgerechte und therapeutische Behandlung und Weiterbehandlung gewährleistet (Therapiesicherung). Dokumentationsmängel können selbständige Haftungsgründe darstellen. Einer nach den aktuellen IT-Standards geführten elektronischen Patientenakte kommt ein identischer Beweiswert wie der klassischen Patientenakte zu (Spickhoff, Medizinrecht, 3. Auflage, § 630f, BGB, RdNr.4). Auch die Fernbehandlung muss daher vollumfänglich und revisionssicher dokumentiert werden und bei Bedarf bzw. auf Anforderung von Patienten oder bevollmächtigten Dritten lesbar das Behandlungsgeschehen wiedergeben. Für die Dokumentation gelten die technischen Standards, wie sie im Papier „Hinweise und Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis“ Niederschlag gefunden haben.
Unterliegt die gemäß § 7 Abs. 4 (Muster-)Berufsordnung-Ärzte (MBO-Ä) zulässige ausschließliche Fernbehandlung den Regeln für den Fernabsatz?
Nein, soweit die Beteiligten bei der Durchführung einer ausschließlichen Fernbehandlung einen Behandlungsvertrag nach § 630a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) abschließen. Gemäß § 312 Abs. 2 Nr. 7 BGB sind Behandlungsverträge nach § 630a BGB von der Anwendung der Vorschriften über Fernabsatzverträge[1] nach den §§ 312b ff. BGB ausgeschlossen. Der Gesetzgeber begründet diesen Ausschluss damit, dass ein Widerrufsrecht bei Behandlungsverträgen, die im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden, mangels besonderer Schutzwürdigkeit des Verbrauchers grundsätzlich nicht erforderlich sei, da telefonische Behandlungsverträge regelmäßig durch einen Anruf des Verbrauchers bzw. eine vorherige Ankündigung des Behandelnden veranlasst würden (vgl. BT-Drs. 17/12637, S. 47 zu Nr. 7).
Auch die telemedizinische Behandlung fällt grundsätzlich in den Anwendungsbereich des § 630a BGB. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers umfasst die Behandlung neben der Diagnose die Therapie und damit sämtliche Maßnahmen und Eingriffe am Körper eines Menschen, um Krankheiten, Leiden, Körperschäden, körperliche Beschwerden oder seelische Störungen nicht krankhafter Natur zu verhüten, zu erkennen, zu heilen oder zu lindern (Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Auflage 2010, § 29 Rn. 4 ff.). Kernelement ist mithin, dass sich die eine Vertragspartei zu der medizinischen Behandlung eines Patienten, also einer natürlichen Person, verpflichtet (BT-Drs.17/10488 S. 17). Da zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die zu erbringenden Leistungen naturgemäß noch nicht abschließend festgelegt werden können, wird der Vertragsinhalt regelmäßig nur abstrakt als „medizinisch erforderliche Behandlung“ vereinbart und erst später (nach Anamnese, Untersuchung, Befunderhebung, Diagnose und Indikationsstellung etc.) konkretisiert (Griebau in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 3. Aufl. 2015, III. Vertragsinhalt, Rn. 7; Weidenkaff, in Palandt, § 630a BGB Rn. 7). Die Behandlung beginnt bereits mit der Anamnese, in deren Rahmen der Behandelnde das Beschwerdebild des Patienten erfragt. Dabei obliegt es dem Behandelnden, ggf. auch durch Stellung geeigneter Fragen, den für die Diagnose erforderlichen Sachverhalt vollständig zu erschließen (Lafontaine in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 630a BGB, Rn. 269; vgl. zur Befunderhebung als ärztliche Pflicht im Rahmen der Behandlung: OLG
Koblenz, Beschluss vom 30. Januar 2012 – 5 U 857/11 –,Rn. 30 ff. juris). Vor diesem Hintergrund ist daher grundsätzlich auch eine medizinische Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien als Behandlungsvertrag iSv. § 630a BGB einzuordnen.
Der notwendige Patientenschutz wird in diesem Zusammenhang durch die speziellen Informations-, Aufklärungs-und Dokumentationspflichten gem. §§ 630a ff. BGB gewährleistet (so Grüneberg, in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 312, Rn. 15), sodass ein (zusätzliches) Widerrufsrecht des Patienten nach § 312b BGB auch vor diesem Hintergrund als nicht zwingend geboten erscheint.
Sind spezielle Fortbildungen für die Durchführung (ausschließlicher) Fernbehandlung notwendig?
Ärztinnen und Ärzte, die ihren Beruf ausüben, sind verpflichtet, sich in dem Umfang beruflich fortzubilden, wie es zur Erhaltung und Entwicklung der zu ihrer Berufsausübung erforderlichen Fachkenntnisse notwendig ist (§ 4 Abs. 1 (Muster-)Berufsordnung-Ärzte (MBO-Ä)). Auf Verlangen müssen Ärztinnen und Ärzte ihre Fortbildung gegenüber der Ärztekammer durch ein Fortbildungszertifikat einer (Landes-)Ärztekammer nachweisen (§ 4 Abs. 2 MBO-Ä).
Die Pflicht, sich fortzubilden, gilt zunächst für das jeweilige Fachgebiet, in dem sich die Ärztin oder der Arzt betätigt. Darüber hinaus müssen sich Ärztinnen und Ärzte, die Patientinnen und Patienten ausschließlich über Kommunikationsmedien behandeln, der Limitierungen bewusst sein, die eine Behandlung ohne persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt mit sich bringen kann. § 7 Abs. 4 Satz 3 MBO-Ä bringt dies durch den ausdrücklichen Hinweis zum Ausdruck, dass Ärztinnen und Ärzte bei der ausschließlichen Fernbehandlung „die erforderliche ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Beratung und Behandlung“ wahren müssen.
Um den Besonderheiten vor allem einer Befunderhebung ohne persönlichen Kontakt und ohne persönliche Untersuchung Rechnung zu tragen, sind Schulungen und Fortbildungen, auch für das eingesetzte medizinische Assistenzpersonal, zu empfehlen. In diesem Zusammenhang wird auf das Fortbildungscurriculum der Bundesärztekammer „Digitale Gesundheitsan-wendungen in Praxis und Klinik“ für Ärztinnen und Ärzte und das Mustercurriculum der Bundesärztekammer für Medizinische Fachangestellte „Elektronische Praxiskommunikation und Telematik“ hingewiesen.
Welche Qualifikationsanforderungen gelten für die ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien?
Gemäß § 2 Abs. 3 (Muster-)Berufsordnung-Ärzte (MBO-Ä) erfordert eine gewissenhafte Ausübung des Berufs insbesondere die notwendige fachliche Qualifikation. Formale Vorgaben für die Qualifikation macht die MBO-Ä nicht. Die ständige Rechtsprechung in Arzthaftpflichtsachen geht davon aus, dass die Patientin oder der Patient Anspruch auf eine lückenlose fachkompetente Behandlung in allen Bereichen ärztlicher Versorgung hat, “die dem Standard eines erfahrenen Facharztes entspricht“ (sog. Facharztstandard). Dieser - für die Krankenhausbehandlung entwickelte - Maßstab gilt auch für ambulante Behandlungen. Dabei kommt es im Berufs- und im Haftungsrecht nicht auf den sog. Facharztstatus - also das Vorliegen der Facharzturkunde - an, sondern auf die Facharztqualifikation im konkreten Fall. Die Ärztin oder der Arzt muss die Behandlung theoretisch wie praktisch so beherrschen, wie das von einer Fachärztin oder einem Facharzt ihres oder seines Faches erwartet werden muss: eine approbierte Ärztin oder ein approbierter Arzt ohne abgeschlossene Weiterbildung kann also - je nach Weiterbildungsstand – den Facharztstandard gewährleisten. Darüber hinausgehende Anforderungen gelten für Vertragsärztinnen und Vertragsärzte; insoweit wird auf die zuständigen Kassenärztlichen Vereinigungen verwiesen. Diese Grundsätze gelten auch, wenn Patientinnen und Patienten ausschließlich über Kommunikationsmedien beraten oder behandelt werden. Auch bei diesen Behandlungen muss der sog. Facharztstandard gewährleistet sein.
Ausführliche Hinweise und Erläuterungen: Behandlung im persönlichen Kontakt und Fernbehandlung
Kontakt:
Frau Handy
Tel.: 0381/492 80 51 (auch über Frau Kozal erreichbar)
E-Mail: recht@aek-mv.de
Frau Kozal
Tel.: 0381/492 80 58
E-Mail: recht@aek-mv.de